Der Kölner Journalist und Filmemacher Frieder Wagner , der die Filme “Der Arzt und die Kinder von Basra”, und “Deadly Dust – Todesstaub” produziert hat, schrieb am 28.10.2014 einen Offenen Brief an Frank-Walter Steinmeier. Der Anlass ist, dass die Bundesrepublik Deutschland der Resolution zu den Folgen von Uranwaffen in der UN-Generalversammlung (Anfang Dezember) möglicherweise nicht zustimmen wird.
„Sehr geehrter Herr Außenminister Dr. Steinmeier,
mein Name ist Frieder Wagner, ich bin Fernsehjournalist und Filmemacher. In den letzten 15 Jahren habe ich mich sehr intensiv mit dem Einsatz von Uranmunition und -bomben und deren Folgen beschäftigt. Ich wurde in dieser Zeit auch zweimal vom Auswärtigen Amt zu Gesprächen eingeladen, die unter dem Thema „Einsatz von Uranmunition und die Folgen“ stattfanden, das war 2008 und 2010 gewesen. Ich habe ein Buch herausgegeben unter dem Titel: „Uranbomben – die verheimlichte Massenvernichtungswaffe“ und bin da auch Koautor. Ich habe zwei Filme über Uranmunition hergestellt. Einen 2004 für das Fernsehen (WDR) unter dem Titel: „Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“ und einen für das Kino 2007 mit dem Titel: „Deadly Dust – Todesstaub“, die man beide inzwischen auch im Internet finden kann.
Wie ich in diesen beiden Filmen und in meinem Buch über die Gesundheitsfolgen von Uranmunition gezeigt habe, kann abgereichertes Uran, das in den Körper gelangt, viele Krankheiten verursachen, z.B. Veränderungen des Erbguts, Fehlbildungen, Störungen der Fruchtbarkeit, Krebs fast aller Organe, Nierenversagen und neurologische Schäden. Labortests und Untersuchungen von Soldaten und Zivilpersonen, die Uranmunition ausgesetzt waren, haben ergeben, dass die Chromosomen geschädigt werden. Diese Chromosomenveränderungen, die in meinen Filmen durch Prof. Albrecht Schott erklärt werden und der auch bei den oben genannten Gesprächen ins Auswärtige Amt geladen war, gelten als Krebs-Vorstufen und Auslöser von Erbkrankheiten. Der Kontakt von Eltern oder auch nur eines Elternteils mit Uranmunition führt zu einer deutlich erhöhten Fehlbildungsrate bei Neugeborenen. Kinder von Veteranen des Golfkriegs, in dessen Verlauf Uranmunition eingesetzt wurde, weisen besonders häufig schwere Fehlbildungen, z.B. des Gehirns und Rückenmarks, des Herzens, der Harnorgane, des Gesichts und der Gliedmaßen auf. Bei Kindern in den irakischen Regionen Basra und Falludscha, aber auch im Kosovo, haben Ärzte identische Beobachtungen gemacht.
Die deutsche IPPNW-Sektion appellierte deshalb in einem Brief an das Auswärtige Amt, am 29.10.14 in der UN-Generalversammlung für die Resolution zu den Folgen von Uran-munition zu stimmen. Dieser Forderung schließe ich mich in vollem Umfang an. Nach Informationen der Internationalen Koalition zur Ächtung von Uranwaffen (ICBUW) plant Deutschland, im Bündnis mit anderen Staaten gegen die UN-Resolution zu stimmen. Dr. Angelika Claußen (IPPNW) erklärt dazu: „Diese Position ist für uns Ärzte völlig unverständlich, da die Beweise für langfristige und schwerwiegende Gesundheitsschäden durch den Einsatz von Uranmunition inzwischen erdrückend sind“. Laut einer aktuellen Analyse der ICBUW schädigt abgereichertes Uran (depleted uranium) die DNA auf zweifache Weise: als Schwermetall ist es ein chemisches Zellgift, als Alphastrahler verursacht es radioaktive Schäden. Für den Bericht wurden über 50 qualifizierte Studien ausgewertet.
Als Jurist, Herr Dr. Steinmeier, sollten Sie auch folgendes bedenken, wenn abgestimmt wird:
Im Juni 1999 ging zum Kosovo-Krieg ein Schreiben von Joint Staff Washington an SHAPE im deutschen Verteidigungsministerium ein, das besagt, dass die USA mit ihren A-10 Flugzeugen im Kosovo Uranmunition eingesetzt hat. So erfuhr das Ministerium, dass der Einsatz dieser Munition und deren Auswirkung auf die deutschen Soldaten sowohl durch die schwache Radioaktivität der Munition, aber besonders durch deren hohe Schwermetall-Giftigkeit die Gesundheit der Truppen gefährden kann. Es heißt dort, Soldaten müssten bei Annäherung an durch Beschuss kontaminierte Orte, aber auch Panzer oder Fahrzeuge etc. sofort zugelassene Atemschutzgeräte anlegen und unbekleidete Körperstellen bedecken. Außerdem sollten solche Soldaten den vorgesetzten Stellen sofort gemeldet werden, damit deren gesundheitliches Risiko geklärt werden könnte.
Das heißt, der zuständige Minister hätte die eingesetzten Soldaten eigentlich sofort zurück beordern müssen, bis die Gefährdung durch DU-Munition vollständig abgeklärt worden war. Das aber hat er nicht getan.
Er hat also eine Erkrankung oder gar den Tod von Soldaten durch die Folgen des Einsatzes der Uranmunition wissentlich und willentlich in Kauf genommen. Das heißt, er hat sich möglicherweise – und das ist ein neuer Aspekt – des versuchten Mordes durch „Anwendung gemeingefährlicher Mittel“ durch den Partner USA schuldig gemacht. Mittel sind dann gemeingefährlich, wenn der Täter sie im Einzelfall nicht sicher zu beherrschen vermag und sie geeignet sind, Leib und Leben mehrerer Menschen zu gefährden. Die Gefahr beschränkt sich dann nicht nur auf eine Einzelperson, sondern wird auf eine eingegrenzte Allgemeinheit ausgeweitet. Beispiele sind u. a. der Einsatz von Sprengstoff, unkontrollierte Schüsse aus einer Waffe oder Feuer in der Nähe einer Menschenmenge, sagt das Strafgesetzbuch. Es sei hier daran erinnert, dass Uranmunition noch viele Jahre nach dem Einsatz völlig Unschuldige gefährden und töten kann. Da Mord ein Verbrechenist, ist auch der versuchteMord strafbar. Der Versuch des Mordes verjährt ebenso wenig wie der vollendete Mord.
Herr Minister, Sie wissen, dass das Thema Uranmunition im Januar 2001 noch die Print- und TV-Medien europaweit beschäftigt hat und der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping massiv unter Druck geriet. Darum setzte er damals eine Kommission ein, die die Gefährdung der deutschen Soldaten z.B. im Kosovo untersuchen sollte. Geleitet wurde diese Kommission von dem damaligen Chefredakteur „Der Zeit“, Dr. Theo Sommer, der Jahre vorher einschlägige Verbindungen zum Verteidigungsministerium aufwies. Er war dort Leiter des Planungsstabes und später Mitglied der Wehrstrukturkommission der Bundesregierung gewesen. So entstand die sogenannte „Dr. Theo Sommer-Studie“. Die Kommission hatte Literatur gesichtet und Experten interviewt und gab im Juni 2001 Entwarnung. „Die Blamage der Alarmisten“ titelte „Die Zeit“, die bereits im Januar durch ihren Wissenschaftsjournalisten Gero von Randow, Uranmunition vorab als unbedenklich bezeichnet und die „kollektive Hysterie“ der Journalistenkollegen gegeißelt hatte. Theo Sommer bekam wenig später von Minister Scharping das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold überreicht, und während in den folgenden Kriegen in Afghanistan und Irak weiter Uranmunition verschossen wurde, herrschte an der Medienfront weitgehend Ruhe, schreibt Uwe Krüger in seinem Buch „Meinungsmacht“.
Im Deutschlandfunk wurde 2004 mein Beitrag für die Sendung „Hintergrund-Politik“ über Uranmunition verhindert und zwar von einem Abteilungsleiter, der nebenbei im Beirat für Fragen der Inneren Führung im Verteidigungsministerium tätig war und später auch als Chefredakteur der Zeitschrift des Reservistenverbandes. Alles Zufall? fragt Uwe Krüger in seinem Buch und zitiert dann den taz-Redakteur Andreas Zumach, der zum Thema Uranmunition gearbeitet hat mit den Worten: „Es gibt Stellen, die das Thema nicht wollen. (…) Industrie, Regierungen, Militärs. Und es geht vor allen Dingen darum, horrenden Schadensersatzforderungen von den bislang – möglicherweise Hundertausend – Geschädigten zu entgehen. Aber auch die für die Aufklärung von Gesundheitsschäden zuständige Weltgesundheitsorganisation in Genf hält sich zurück wegen politischen Drucks aus Washington, Berlin und anderen Hauptstädten.“
Herr Minister, ich hoffe Sie gehen nicht in die deutsche Geschichte ein, als ein Minister der SPD, der sich bei der Abstimmung der UN-Generalversammlung den Einsatz von Uranwaffen zu ächten, der Stimme enthalten oder gar dagegen gestimmt hat.
Mit freundlichen Grüßen
Frieder Wagner
Grimme-Preis 1981
Europäischer Fernsehpreis 2004″