16. August 2018

US Air Force diskutiert: Munition mit abgereichertem Uran ersetzen

Artikel

Das von Lockheed Martin hergestellte Kampfflugzeuge F-35 Lightning II wird die älteren Modelle bei der US Air Force ersetzen. Am bedeutendsten erscheint es, dass auch die A-10 Thunderbolt II ersetzt wird, die auch “Warzenschwein” genannt wird, weil sie für die Luftunterstützung konzipiert ist und pro Sekunde 70 Patronen mit abgereichertem Uran (DU) versehene panzerbrechende Munition verschießen kann. Wie von der Washington Post berichtet wurde, war dies zuletzt der Fall im November 2015 während zwei Operationen in Syrien, wo 5265 Schüsse der giftigen und radioaktiven Munition auf Öltanklaster des sogenannten Islamischen Staates abgefeuert wurden.

                                                                       Lockheed Martin F-35 Lightning II

Der Hersteller beschreibt den F-35 als eines der tödlichsten und überlebensfähigsten Kampfflugzeuge, die je gebaut wurden, aber zahlreiche Programmfehler verhinderten (bis jetzt) seine Inbetriebnahme und erzeugten hohe Kosten. Kürzlich versuchte US-Präsident Donald Trump die zusätzliche finanzielle Belastung durch den Export des Flugzeugs zu mildern. Aber unabhängig von den Verzögerungen bestehen Zweifel, ob die F-35 das altbewährte A-10 Modell überhaupt ersetzen kann.

Solange das Kampfflugzeug F-35 noch nicht betriebsbereit ist, wird die A-10 indessen weiter operieren und dafür wird die Air Force bald neue Munition benötigen. Aktuell wird die DU-Munition PGU-14 des Herstellers Orbital ATK benutzt, die jedoch bald den Ablauf ihrer Haltbarkeitsdauer erreicht. Während die A-10 nicht ausschließlich für den Gebrauch von PGU-14 Munition mit abgereichertem Uran vorgesehen ist und es in der Tat zahlreiche, gängige Munitionsbeladungen gibt, die ohne Uran auskommen, kann dennoch angenommen werden, dass zum Beispiel in den sogenannten Luftunterstützungsoperationen panzerbrechende Munition verwendet wird. Wie die Website military.com berichtet, wird zurzeit über den zukünftigen Gebrauch von DU-Munition und deren Ersetzung durch eine ebenfalls panzerbrechende Wolfram-Alternative diskutiert.

Aus militärischer Sicht gibt es zwei Faktoren, die für die giftige Uranmunition sprechen. Einerseits ist DU als ein Abfallprodukt der Atomindustrie wesentlich kostengünstiger als Wolfram und andererseits hat es eine höhere Dichte und deshalb eine bessere Durchschlagskraft. Wolfram wird die DU-Munition erst ersetzen, wenn es vergleichbare Effektivität erlangt.

Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Wolframkarbid-Munition auch Nebenwirkungen hat. Obwohl eine Wolframlegierung ein nicht-radioaktives Material darstellt, das weniger chemisch-toxische Auswirkungen hat als DU, ist es trotzdem gesundheitsschädigend und langfristig gesehen auch krebserregend. Seit 2005 hat eine Reihe von Untersuchungen mit Versuchstieren, die von John F. Kalinich (Ph.D.) des US Armed Forces Radiobiology Research Institute (AFRRI) geleitet wurden, das krebserregende und immunotoxische Potential eingedrungener Splitter von abgereichertem Uran (DU) und Wolframschwermetalllegierungen (WA) offenbart. Die Forscher schlussfolgern, dass “schnelle und aggressive Tumorentwicklungen an den Implantationsstellen der Wolframtestgruppen auftraten. Dies wirft Bedenken bezüglich der Verwendung des Schwermetalls Wolfram als Ersatz für abgereichertes Uran bei Panzerbrechern auf.”

In seinem 14. Bericht über krebserregende Stoffe erklärt das National Toxicology Program des US Department of Health and Human Services, Wolfram sei “eine bekannte oder vernünftigerweise vorhersehbare Ursache für eine Krebserkrankung bei Menschen ”.

Gleichwohl muss der Gebrauch von hochgiftiger Uranmunition streng verurteilt werden und im Hinblick auf die Langzeitfolgen, zum Beispiel als ein Ergebnis der Einsätze auf dem Balkan oder im Irak, müssen gewaltfreie Friedensbildung und vorsorgliche diplomatische Schritte jedwede militärische Option ersetzen und vermeiden. Obwohl das Militär den Einsatz von DU über Jahre verteidigte, gibt die Tatsache, dass in den USA gerade eine Diskussion entflammt und viele andere Länder generell vom Gebrauch von DU-Munition absehen, jetzt Hoffnung.

Inzwischen wurden auch schon F-35A Kampfflugzeuge von einigen NATO-Mitgliedstaaten erworben. Die Ersetzung der F-16 Kampfflugzeuge durch die F-35A Flugzeuge ist derzeit ein heißes Thema auf der Tagesordnung des belgischen Parlaments und in der Öffentlichkeit. Mitglieder der belgischen Koalition “Stop uranium weapons” sind sehr darüber besorgt, ob DU-Munition bei dem rotierenden Geschütz des Typs Gatling (Aircraft Gun Unit) GAU-22/A verwendet wird oder nicht. Das war der ausschlaggebende Punkt, das DU-Problem wieder auf die Tagesordnung der belgischen Verteidigung zu bringen.

Die detaillierten technischen Datenblätter des F-35A-Kampfflugzeugs zeigen, dass das Gatling GAU-22/A Geschütz für den Verschuss folgender PGU-Munitionstypen geeignet ist:

  • PGU-23/U – TP (TP=Schießübung)
  • PGU-20/U API (API= panzerbrechende Brandmunition)
  • PGU-25/U HEI (HEI= hochexplosive Brandmunition)

Das Gatling-Geschütz GAU-22/A kann 25 mm hochexplosive Brandmunition abfeuern. Das auf das Angriffsflugzeug A-10 montierte Gatling-7-Zylinder-Geschütz kann 30 mm DU- Munition und 30 mm hochexplosive Brandmunition (HEI) aufnehmen, meist ein Gemisch aus beiden Typen. Der Penetrator der HEI-Munition ist ein Stab, der den Kern des Projektils bildet. Er besteht aus Wolframkarbidlegierungen wie Wolframkobalt. Im Gegensatz zu abgereichertem Uranschwermetall haben Partikel des Wolframschwermetalls keine luftentzündlichen Eigenschaften. Deswegen werden Explosiv- und Brandstoffe der HEI-Munition zugefügt, um gepanzerte Fahrzeuge in Brand zu setzen, wohingegen Projektile mit einem DU-Penetrator als Kern , keine Explosivstoffe benötigen, um die gleiche Brandwirkung zu erzielen.

A-10 Thunderbolt II mit Gatling Geschütz

Am 17. April 2018 wurde eine parlamentarische Anfrage von Dirk Van der Maelen, Mitglied des belgischen Bundesparlaments, gestellt. Seine Frage, die er an die Kommission für nationale Verteidigung richtete, hatte folgende Einleitung:

„Das Pentagon hat die Ersetzung der A-10 Warzenschwein-Flugzeuge durch F-35 Kampfflugzeuge angekündigt. Am 4. Februar 2010 veröffentlichte das Magazin „Flight International“ einen Artikel, wonach die F-35A die USAF F-16, A-10 und F-15 Kampfflugzeuge ersetzen wird. Seit den Siebzigern werden A-10 als „nahe Luftunterstützung“ eingesetzt, um Bodentruppen bei der Zerstörung feindlicher Panzer zu unterstützen, indem der Boden nahe überflogen wird. Vielmals wurde DU-Munition eingesetzt (Golfkrieg, Balkankrieg, Irakkrieg). Der Einsatz von DU-Munition hatte und hat katastrophale Konsequenzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt.“

Der Abgeordnete stellte dann die folgenden Fragen:

“1/ Werden die 34 der F-35A Kampfflugzeuge, die Belgien zu erwerben beabsichtigt, mit rotierenden Gatling-Kanonen ausgestattet, die in der Lage sind, Projektile mit abgereichertem Uran abzufeuern? Können Sie darüber genaue Informationen geben?”

2/ Falls die F-35A Flugzeuge Munition mit abgereichertem Uran verwenden, wie kann   dies in Einklang mit dem belgischen Recht gebracht werden, das die Bereitstellung, die Produktion, den Handel und den Transport von Munition mit abgereichertem Uran untersagt?

3/ Sollte es nicht eine behördliche Kontrolle geben, um sicherzustellen, dass Belgien keinen Gebrauch von solchen Waffen in bewaffneten Konflikten macht, auch nicht durch Einführung eines neuen Kampfflugzeugs mit entsprechenden militärischen Fähigkeiten?”

Der belgische Verteidigungsminister antwortete:

“ Ich habe bereits mehrmals ausgeführt, , dass sich die Regierung für ein offenes Verfahren ausgesprochen hat und dass die Anfrage für den Regierungsentwurf (RfGP) im Internet verfügbar ist. Im Hinblick auf Ihre spezielle Frage zu Munition mit abgereichertem Uran gibt es keine Vorgaben im RfGP. Zum jetzigen Zeitpunkt kenne ich den Inhalt der verschiedenen Angebote der Kandidaten nicht, weshalb ich Ihnen auf diese Frage keine Antwort geben kann. Ich möchte jedoch klarstellen, dass es keinen Bedarf an dem Gebrauch von Munition mit abgereichertem Uran in den neuen Kampfflugzeugen gibt, noch ist solch ein Gebrauch mein Wunsch.”

Diese Antwort ist für uns leider nicht klar und ein Gefühl der Unsicherheit verbleibt. Es wurden keine konkreten oder detaillierten Informationen als Reaktion auf die parlamentarische Anfrage gegeben, insbesondere nicht, ob die F-35A mit einem Geschütz ausgestattet wird, das DU-Munition verschießen kann.

 

Anmerkung: Nach weiterer Recherche zum Thema fanden wir heraus, dass es scheint, dass PGU-47-Munition für die F-35A, B und C (durch NAMMO aus Norwegen) entwickelt worden ist. Diese Munition hat einen Wolframkarbid-Penetrator. Weitere Informationen:

https://ndiastorage.blob.core.usgovcloudapi.net/ndia/2016/armament/18320_McConkie.pdf

(Ria Verjauw, ICBUW-Sprecherin)

 

Quellen:

Thompson, Loren B. (2016). The U.S. Air Force’s Incoherent Plan to Replace the A-10 Warthog. Retrieved from http://nationalinterest.org/blog/the-buzz/the-us-air-forces-incoherent-plan-replace-the-10-warthog-17079

Gibbons-Neff, Thomas (2017). The Pentagon said it wouldn’t use depleted uranium rounds against ISIS. Months later, it did — thousands of times. Retrieved from https://www.washingtonpost.com/news/checkpoint/wp/2017/02/16/the-pentagon-said-it-wouldnt-use-depleted-uranium-rounds-against-isis-months-later-it-did-5265-times/?noredirect=on&utm_term=.5142b2ab7814

Kramper, Gernot (2018). F-35 kaum einsatzbereit – 1000 Mängel plagen den teuersten Jet der Welt. Retrieved from https://www.stern.de/digital/technik/f-35-kaum-einsatzbereit—1000-maengel-plagen-den-teuersten-jet-der-welt-7836888.html

Cohen, Zachary und Jeremy Herb (2017). Air Force gives new life to the A-10 Warthog. Retrieved from https://edition.cnn.com/2017/05/24/politics/a-10-warthog-retirement-air-force-budget/index.html

Trevithick, Joseph (2018). A-10 Warthogs May Stop Firing Controversial Depleted Uranium Ammunition for Good. Retrieved from http://www.thedrive.com/the-war-zone/20875/a-10-warthogs-may-stop-firing-controversial-depleted-uranium-ammunition-for-good

Pawlyk, Oriana (2018). Air Force Debates Replacing Depleted Uranium Rounds for A-10. Retrieved from https://www.military.com/dodbuzz/2018/05/14/air-force-debates-replacing-depleted-uranium-rounds-10.html/amp?__twitter_impression=true

Kalinich, John F. et al. (AFRRI, 2005). Carcinogenicity and Immunotoxicity of Embedded Depleted Uranium and Heavy-Metal Tungsten Alloy in Rodents ;

National Toxicology Program, 14th Report on Carcinogens. https://ntp.niehs.nih.gov/pubhealth/roc/index-1.html#toc1

Trimble, Stephen (Flight International, 2010). LM says F-35A will replace USAF F-15s ;

http://harpgamer.com/harpforum/index.php?/topic/8327-lm-says-f-35a-will-replace-usaf-f-15s/

Gertler, Jeremiah (Federation of American Scientists, 2018). F-35 Joint Strike Fighter (JSF) Program ; https://fas.org/sgp/crs/weapons/RL30563.pdf